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Narbenbehandlung in der Plastischen Chirurgie

Vlad Stefan, Michele Rudari, Adrian Dragu, Seyed Arash Alawi

Zusammenfassung:

Für eine erfolgreiche Narbenbehandlung ist ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept und ein entsprechender Behandlungsplan erforderlich, um sowohl die Funktionalität als auch die Ästhetik des betroffenen Bereiches wiederherzustellen. Wenn konservative Methoden nicht erfolgreich sind, stehen eine Vielzahl chirurgischer Optionen im Rahmen eines Stufenplans zur Verfügung, wie die Exzision und die Z-Plastik, sowie weitere lokale und regionale Lappenplastiken. Bei starker Vernarbung und bei schwerer Schädigung des Gewebes kann eine radikale Exzision und eine Rekonstruktion mittels einer freien Lappenplastik notwendig sein. Hierbei ist ein individuelles Therapiekonzept zu definieren. Die Folgen von schweren Vernarbungen können zu Funktionsdefiziten bis hin zum Funktionsverlust der betroffenen Areale führen.

Schlüsselwörter:

Narbenmanagement, Chirurgische Maßnahmen, Rekonstruktion, Funktionelle und ästhetische Wiederherstellung


Einleitung:
Die Wundheilung ist ein komplexer physiologischer Prozess, der eine Wiederherstellung der Haut aber auch der Weichteile einschließt. Normalerweise umfasst die Wundheilung drei aufeinanderfolgende, aber auch überlappende Phasen: Die Exudationsphase (Inflammationsphase), Granulationsphase (Proliferationsphase) und die Epithelisierungsphase (Regenerationsphase)[1]. Jede Wundheilung geht mit Narbenbildung einher. Wenn die Wundheilung gestört wird, wie bei übermäßiger Wundheilung (hypertrophen Narben und Keloiden) oder bei chronischen Wunde (Geschwür), kann es zu Funktionseinschränkungen führen und die Lebensqualität einschränken[2].
Exzessive Wundheilung kann durch eine Reihe von Verletzungsmechanismen verursacht werden, wie Traumata, Bisswunden, Verbrennungen, Operationen, Impfungen, Hautpiercings, Akne und Infektionen[3]. Nach der Gewebeschädigung oder auch nach elektiven chirurgischen Eingriffen setzt der Heilungsprozess ein, welcher mit der Inflammationsphase beginnt. Die Ursachen für Wundheilungsstörungen aber auch für die überschießende Wundheilung scheint eine Dysregulation in einer der Phasen der Wundheilung zu entstehen, welche von einer kontinuierlichen lokalen Entzündung gekennzeichnet ist[4]. Die zwei bekanntesten Formen der gestörten Wundheilung sind die Entwicklung von Keloiden und hypertrophe Narben.
Bei Keloiden findet ein stark entzündlicher pathologischer Prozess statt, während bei hypertrophen Narben ein weniger starker entzündlicher Prozess stattfindet. Beide Pathologien können als aufeinanderfolgende Stadien einer fibroproliferativen Erkrankung, die durch genetische Prädisposition beeinflusst werden können, beschrieben werden.
Hypertrophe Narben, die sich selten mehr als 4 mm über die Haut erheben, sind typischerweise anfänglich rot oder rosa gefärbt, nicht auf der Unterfläche verschieblich und juckend. Diese Narben neigen auch dazu, im Laufe der Zeit zu verblassen und wachsen nicht über die Grenzen der ursprünglichen Wunde heraus. Keloide hingegen durchdringen das umliegende Gewebe und entwickeln sich mit der Zeit weiter, ohne eine Ruhe- oder Rückbildungsphase zu durchlaufen. Zu den Merkmalen von Keloiden zählen die Härte, Schmerzhaftigkeit, die glänzende Oberfläche sowie das Auftreten von vereinzelten Teleangiektasien. Eine genetische Prädisposition liegt bei der Bildung von Keloiden vor. Dies erklärt teilweise die ethnischen Unterschiede in der Prävalenz für Keloide: Keloide treten häufiger in der afrikanischen Bevölkerung (5 bis 10 Prozent sind betroffen), weniger häufig in der asiatischen Bevölkerung (0,1 bis 1 Prozent) und am seltensten tritt dies in der europäischen und nordamerikanischen Bevölkerung auf (<0,1 Prozent)[5].
Hypertrophen Narben und Keloiden sind fibroproliferative Dysregulationen im Stratum reticulare der Dermis. Hierbei kommt es zu einer kontinuierlichen Entzündungsrektion, eine vermehrte Angiogenese, eine Anreicherung an Myofibroblasten und Fibroblasten sowie eine übermäßige unregelmäßig angeordnete Kollagen-Akkumulation. Im Vergleich zu klassischen hypertrophen Narben breiten sich klassische Keloide aggressiver aus, lösen sich selten spontan auf und enthalten auf histologischer Ebene eosinophiles Kollagen oder sogenanntes “keloides Kollagen“[5]. Allerdings weisen viele Narben klinische und pathologische Merkmale beider Erkrankungen auf, was darauf hinweist, dass sie in dem Spektrum zwischen klassischen Keloide und hypertrophen Narben liegen[6].
Die klinischen und histologischen Unterschiede zwischen den beiden Erkrankungen spiegeln wahrscheinlich Unterschiede in der Intensität und Dauer der Entzündung in dem Stratum reticulare der Dermis wieder. Diese Unterschiede können durch lokale, systemische und genetische Risikofaktoren beeinflusst werden, die das Auftreten und den Schweregrad der Erkrankung beeinflussen.

Die Plastische Chirurgie spielt eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung von Narben nach Operationen, Traumata, Verbrennungen oder Infektionen.


Schätzungsweise entwickeln in den Industrieländern jährlich etwa 100 Millionen Menschen Narben[7]. Von diesen sind etwa 15% hypertrophe oder unästhetische Narben [7]. Eine Umfrage zeigte, dass ca. 91% der Patienten, bei denen ein chirurgischer Routineeingriff durchgeführt wurde, eine Verbesserung der Narben wertschätzen würden[8].
Die Narbenbehandlung erfolgt nach einem bestimmten Algorithmus, bei dem die Wahl der Technik an den Einzelfall und die jeweiligen Gegebenheiten angepasst wird. Wenn konservative Maßnahmen erschöpft sind und schwerwiegende funktionelle oder ästhetische Beeinträchtigungen nicht anders behoben werden können, werden operative Korrekturen notwendig[9]. Das ästhetische Ergebnis einer Narbe wird vor allem durch eine homogene Hautstruktur, die Elastizität und die Pigmentierung bestimmt. Funktionell gesundes Haut- und Weichteilgewebe bietet genug Elastizität und Überschuss, um die notwendigen Bewegungen, wie z.B. Gelenkbewegungen, zu ermöglichen. Bei Beeinträchtigungen durch Narbenbildung müssen diese Voraussetzungen jedoch anders geschaffen werden. In solchen Fällen sollte ein chirurgisches Vorgehen in Betracht gezogen werden[10].
Unästhetische Narben sind oft mit körperlichen und psychosozialen Folgen verbunden. Die Plastische Chirurgie nimmt eine wesentliche Rolle bei der Minimierung der Narbenbildung nach elektiven und notfallmäßigen Eingriffen sowie bei der Korrektur unästhetischer Narben ein. Die Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Narbenbehandlung sollte sich an den klinischen Empfehlungen, aber auch nach den individuellen Bedingungen orientieren und auf die entsprechende Wunde zugeschnitten sein. Vorbeugende Maßnahmen sollten die oberste Priorität haben und vor, während und unmittelbar nach dem Wundverschluss durchgeführt werden. Die Behandlung von hypertrophen Narben, Keloiden und Kontrakturen zielt im Allgemeinen darauf ab, die mechanische Spannung in der Narbe zu verringern, das voluminöse Narbengewebe durch rekonstruktive chirurgische Techniken zu entfernen und/oder Substanzen wie Kortison zu injizieren, um den Kollagenabbau in situ zu fördern. Silikonpelotten und -gele werden als konservative Therapieoptionen sowohl zur Vorbeugung als auch zur Behandlung von hypertrophen Narben und Keloiden empfohlen. Diese Produkte können in Kombination mit anderen invasiven und nicht invasiven Therapieoptionen eingesetzt werden, um den Patienten optimale Ergebnisse zu bieten[10]. Auch die operativen Möglichkeiten eine Narbenkorrektur durchzuführen sind sehr vielfältig. Nach Ausschöpfung der konservativen Therapieoptionen, anhand der „Rekonstruktiven Leiter“ kann der Behandlungsalgorithmus bei Bedarf erweiterte rekonstruktive Verfahren einschließen. Bei instabilen Narben wird ein frühzeitiges und aggressives Vorgehen empfohlen.

Zusätzlich sollte die Prävention von Narbenbildung bei jedem chirurgischen Eingriff berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung der Hautspannungslinien und atraumatischer intraoperativer Techniken haben positive Auswirkungen auf die Wundheilung. Die Wahl des Nahtmaterials sollte ebenfalls sorgfältig erfolgen, da dieses die Narbenbildung beeinflussen kann. Bei Risikopatienten sollte eine präventive Behandlung mit zum Beispiel einem Silikon-Wundverband nach der primären Wundheilung in Betracht gezogen werden. Perioperative intraläsionale Kortikosteroidinjektionen sollten auch bei Patienten mit einem hohen Risiko für Keloidbildung in Betracht gezogen werden[11]. Das rekonstruktive funktionelle Ergebnis hängt auch erheblich vom Nachbehandlungskonzept ab.
Ein detailliertes und standardisiertes Nachbehandlungskonzept sowie eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Orthopädietechnik, Handtherapie und Ernährungsberatung können das Ergebnis verbessern.
PlastChir_2_2023_Alawi (2)
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Narben - Narbenbehandlung in der Plastischen Chirurgie - Dr. Alawi klärt auf

PD Dr. med. habil. Seyed Arash Alawi, MD, FEBOPRAS


Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Europäischer Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (Fellow of the European Board of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery)
Zusatzbezeichnung Notfallmedizin

Kontakt: Info@theplasticsurgeon.de



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